Die Faszination, die von Jack London ausgeht, liegt sicherlich in der Gabe, die Naturschönheiten Alaskas so unvergleichlich beschreiben zu können:

 

 

 

"Die Natur zwingt den Menschen mit mancherlei Launen, sich seiner Begrenztheit bewusst zu werden: dem ewigen Wechsel von Flut und Ebbe, der Wut des Sturms, den Stößen des Erdbebens - aber die ungeheuerlichste, betäubendste von allen ist die vollkommene Stille des weißen Schweigens. Jede Regung stockt, die Luft ist klar, der Himmel wie eine Erzglocke; das leise Flüstern wird zum Frevel, und Furcht beschleicht den Menschen beim Klang der eigenen Stimme; das einzige bisschen Leben, das über die geisterhafte Einöde einer toten Welt wandert, erbebt er vor seiner Vermessenheit und erkennt, dass ihm nur das Leben eines Wurms beschieden ist, nicht mehr. Seltsame Gedanken steigen ungerufen auf, und das Geheimnis aller Dinge ringt ohnmächtig nach Ausdruck." (Jack London, Erzählung: "Das weiße Schweigen" - "The white silence")

 

 

 

" - eine andere Welt hatte ihn aufgenommen, eine Welt von Schweigen und Unbeweglichkeit. Nichts regte sich. Der Yukon schlummerte unter einer drei Fuß starken Eisdecke. Nicht ein Windhauch war zu spüren. Selbst der Saft in den Fichtenstämmen an beiden Ufern schien erstarrt zu sein. Die Bäume standen wie versteinert mit der leichten Schneelast auf ihren Zweigen, die der leiseste Hauch herabgeweht hätte, aber es geschah nicht. Daylights Schlitten war der einzige lebendige, bewegliche Punkt inmitten der großen feierlichen Stille, und das raue Scheuern der Kufen verstärkte nur das Schweigen ringsum.

Es war eine tote Welt, ja, eine graue Welt. Das Wetter war kalt und klar; die Luft war trocken, ohne Dunst und Nebel; aber der Himmel war ein graues Bahrtuch. Zwar verdunkelten keine Wolken den Tag, aber auch keine Sonne gab Helligkeit. Weit im Süden erklomm sie stetig ihre Mittagshöhe, aber zwischen ihr und dem gefrorenen Yukon lag die Wölbung der Erde. Der Yukon war in nächtliche Schatten getaucht und der Tag selbst nur eine lange Dämmerung. Als um dreiviertel zwölf eine plötzliche Wendung des Flusses einen Ausblick nach Süden eröffnete, zeigte sich der oberste Rand der Sonne gerade über dem Horizont. Eine blasse, verwischte Scheibe. Ihre Strahlen wärmten nicht, man konnte gerade in sie hineinsehen, ohne dass einem die Augen schmerzten. Und kaum hatte sie ihre Mittagshöhe erreicht, als sie auch schon wieder hinter den Horizont kroch, und ein Viertel nach zwölf warf die Erde wieder ihren Schatten über das Land. ... Gegen drei Uhr nachmittags ging die lange Dämmerung in die Nacht über. Die Sterne kamen zum Vorschein und funkelten nahe und klar ..." (Jack London, "Lockruf des Goldes")

 

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"Die Sonne hatte an diesem Tag kaum eine Stunde lang ein erbärmliches blasses Licht gespendet, schon um drei Uhr nachmittags war der Himmel voll von Sternen gewesen, und jetzt zeigten sich am Horizont die phantastischen Feuer des Nordlichts, ein zitterndes, flammendes, funkelndes Licht, erregend und dennoch kalt wie der Weltraum selbst. Sie schritten (die Heldin des Buches Frona Welse und ihr Verehrer der junge Abenteurer Vance Corliss, Anm. d. Verf.) in dieser magischen Beleuchtung hin, der Schnee knirschte unter ihren warmen Mokassins, ihr Atem kräuselte sich in den weißen Dunstwolken. Zu ihren Füßen lag unter der großen Himmelswölbung ein dunkler Fleck inmitten der grenzenlosen, weißen Einsamkeit: die Goldstadt Dawson, wie ein schwacher menschlicher Protest gegen die Unendlichkeit. Keiner von ihnen mochte sprechen, so wundervoll war alles, so unbeschreiblich gut tat es, die Lungen mit jedem Atemzug dieser eisgekühlten, würzigen Luft neu zu beglücken.

Männerstimmen und Rufe durchbrachen die Stille ganz in ihrer Nähe, dann kam heiseres Bellen, Peitschen knallten, ein beladener Hundeschlitten schwankte heran. Den reifbedeckten Wolfshunden hingen die warmen Zungen rot aus den heiß dunstenden Mäulern. Die beiden wussten nicht, welche Fracht man zu dieser Stunde hier um die Stadt herumführte, und blieben stehen. Auf dem Schlitten stand eine lange schmale Kiste aus ungehobelten Kiefernbrettern. Darauf lag ein Kruzifix. Es war ein Leichenbegräbnis. Zwei peitschenschwingende Hundetreiber liefen rechts und links des Schlittens. Dahinter schwankte eine fast blindgeweinte Frau, ein Geistlicher im schwarzen Ornat gab dem Sarg das Geleit." (Jack London, "An der weißen Grenze")

 

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"Dunkler Tannenwald dräute finster zu beiden Seiten des gefrorenen Wasserlaufs. Der Wind hatte kürzlich die weiße Schneedecke von den Bäumen gestreift, so dass sie aussahen, als drängten sie sich unheimlich düster in dem schwindenden Tageslicht aneinander. Tiefes Schweigen lag über dem Lande, das eine Wildnis war, ohne Leben, ohne Bewegung, so einsam, so kalt, dass die Stimmung darin nicht einmal traurig zu sein schien. Vielmehr lag es wie ein Lachen darüber, ein Lachen, schrecklicher als jede Traurigkeit, freudlos wie das Lächeln der Sphinx, kalt wie der Frost und grimmig wie die Notwendigkeit. Die unerbittliche, unerforschliche Weisheit des Ewigen lachte über die Nutzlosigkeit des Lebens und seiner Anstrengungen. Es war die echte Wildnis, die ungezähmte, kaltherzige Wildnis des Nordens."

(Jack London, erste Worte des Romans "Wolfsblut")

 

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"Der Frühling war gekommen wie ein Wunder, streichelte die Welt mit sanften Händen und wiegte sie in Träume ein, ehe der Sommer mit seiner Blumenpracht kam. Schnee lag nur noch auf den eisschründigen Zinnen, aus Schluchten und Tälern war er verschwunden; die Gletscher begannen zu schmelzen, und der Fluss war ein brüllender Strom ... Nur der Yukon kümmerte sich nicht um dieses große Erwachen. Viele Meilen lag er noch immer kalt da, unbeweglich und tot ... Hier und da brach das Wasser durch und überschwemmte das unerbittliche Eis, aber in der nächsten kalten Nacht gefror es wieder zu einer einzigen festen Masse ... Noch war der Fluss nicht willens, seinen Griff zu lockern, noch wollten die Eismassen nicht hinab ins Beringmeer schwimmen, aber jede Stunde konnte die Erlösung bringen ...

(Jack London, "An der weißen Grenze")

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